Beschreibung

Das Alboin-Kastenfenster als technische Lösung für das Schöneberger-Modell

Im Pilotprojekt Alboingärten in der Bessemer Straße in Berlin erfolgte, erstmalig in Deutschland, die Umsetzung des s.g. Schöneberger Modell(siehe auch Lärmleitfaden Berlin, Seite 103/104) im Rahmen der Bauleitplanung (B-Plan). Dieses rechtliche Modell besagt, dass ein Schutz gegenüber gewerblichen Geräuschen auch mit einem passiven Schallschutz, d.h., bauliche Maßnahmen auf Seiten der Immission begegnet werden kann.

Die bisherigen Regelungen der TA Lärm sehen bei s.g. Überschreitungen der Immissions­richtwerte primär aktive Schallschutz­maßnahmen auf Seiten des gewerblichen Betriebes vor. Insbesondere in innerstädtischen Lagen sind diesen Möglichkeiten jedoch naturgemäß enge Grenzen gesetzt. Bisher führt eine s.g. heranrückende Wohnbebauung regelmäßig zur Betriebseinschränkungen von gewerblichen Nutzungen, von Sport- oder Freizeitanlagen. Die Einschränkungen gehen regelmäßig bis hin zur Betriebsaufgabe. Mit diesem rechtlichen Modell und dem zur technischen Umsetzung dafür entwickelten Alboin-Kastenfenster werden die widerstreitenden Belange – Schutz der Anwohner und Entfaltungsmöglichkeit der Gewerbebetriebe – in Einklang gebracht.

Die Vorteile liegen primär im Städtebau und damit im öffentlichen Interesse. So werden innerstädtische Areale, welche räumlich eng an gewerbliche Nutzungen angrenzen, für den Wohnungsbau bebaubar. Die in der Regel seit längerer Zeit bereits im Bestand vorhandenen Gewerbebetriebe oder Sport- und Freizeitanlagen werden durch die heranrückende Wohnbebauung nicht in ihrem Betrieb eingeschränkt. Die für die Ausübung von Handwerk nötigen Fahrwege sind geringer, da innerstädtisch Betriebsstätten erhalten bleiben und nicht verdrängt werden.

Die rechtlichen Regelungen gestatten, bei einer Überschreitung von gewerblichen Geräuschen zur Nachtzeit, die architektonischen Selbsthilfemaßnahmen durchzuführen. D.h., einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach TA Lärm am Tag oder in der Nacht kann mit den nachfolgend beschriebenen architektonischen Selbsthilfemaßnahmen bzw. passivem Schallschutz begegnet werden.

Konstruktionsmerkmale

Das Alboin-Kastenfenster ist eine Weiterentwicklung der seit längerem praktizierten Bauweise eines Kastenfensters.

Wesentliche Unterschiede bestehen in der selbsttragenden Bauweise, die es in der Form nicht bei den bereits bekannten Kastenfensterkonstruktionen gibt.

Aus rechtlichen Gründen muss die Bautiefe des Kastenfensters ca. 55 cm betragen. Dies begründet sich in den Anforderungen der TA Lärm und dem messtechnischen Erfordernis, mit einem Mikrofon nicht im s.g. Nahfeld der äußeren Scheibe zu messen.

Die bereits bekannten Kastenfensterkonstruktionen haben in aller Regel geringere Bautiefen und können folgende technische Möglichkeiten nicht geregelt und nicht prognostizierbar nutzen:

  1. Luftdurchlässigkeit im teilgeöffneten Zustand zur Belüftung des Wohnraumes
  2. Schalldämmung im teilgeöffneten Zustand
  3. Ablaufmöglichkeit von Schlagregen

Die seit längerem üblichen Kastenfenster sind aufgrund der geringen Bautiefe und der nicht bekannten Pegelminderung im Kastenzwischenraum bzw. der lüftungstechnischen Eigenschaften im teilgeöffneten Zustand für das Schöneberger Modell nicht anwendbar. Es handelt sich dabei um Fensterelemente, die im Wesentlichen eine transparente Schließung einer Öffnung in der Massivwand darstellen. Das Alboin-Kastenfenster ist eine bauliche Erweiterung vor einem Fenster, die die zuvor skizzierten Eigenschaften als gesamtes Element sicherstellt.

Die Konstruktion hat im Gegensatz zu klassischen Kastenfenstern auch den Zielkonflikt bestehend aus Belüftung und Schallschutz lösen. So sind die den Kastenzwischenraum belüftenden Öffnungen so gewählt werden, dass im Kasten bei geschlossener äußerer Ebene eine bestimmte Minderung des Schalldruckpegels erfolgt.

besondere Eigenschaften

Dieser Minderung kommt eine baurechtlich entscheidende Bedeutung zu, da dies der Kern des vorgenannten Schöneberger Modells ist.

Aufgrund von umfangreichen messtechnischen Untersuchungen kann nun diese Pegelminderung für verschiedene Geräuschspektren der Außenlärmbelastung verlässlich prognostiziert werden. Somit kann das Alboin-Kastenfenster auch speziell auf tieffrequente Geräusche angewendet werden.

Die normativen Möglichkeiten einer Berechnung des Innenpegels sind für geschlossene Fenster in Deutschland der VDI 2719 dargelegt. Diese Norm geht jedoch von Einzahlwerten sowohl für die Schalldämmung (Rw,F = 34 dB) als auch von Einzahlwerten für die Berücksichtigung des frequenzabhängigen Verhaltens des Fensters  (z.B. K = 6 dB) aus. Berechnungsverfahren und -­grundlagen für teilgeöffnete Fenster sind im Zuge der Entwicklung des s.g. HafenCity-Fensters bereits erfolgt und auch von den im Bundesland Hamburg genehmigenden Behörden veröffentlicht worden. Diese stellen jedoch auch auf s.g. Einzahlwerte und auf Pegel im Aufenthaltsraum ab. Sie erlauben nicht die Prognose des Schalldruckpegels im Kastenzwischenraum und eine frequenzabhängige Betrachtung des Außenlärm­pegels.

Gestützt auf das umfangreiche Messprogramm ist die Weiterentwicklung des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung von frequenzabhängigen Innenpegeln im Kastenzwischenraum und im Innenraum bei teilgeöffneten Fensterebenen möglich geworden.

Die im Rahmen der Prüfungen durchgeführten Luftmengenmessungen gestattet die Prognose und den rechnerischen Nachweis der lüftungstechnischen Eigenschaften in Zusammenhang mit der DIN 1946-6 bzw. DIN 18017-3 für teilgeöffnete Fenster. Das gesamte Kastenfenster ist somit geeignet, im Sinne eines Außenluftdurchlasses ALD’s eingesetzt zu werden. Im teilgeöffneten Zustand werden gleichzeitig sowohl lüftungs­- als auch schalltechnische Anforderungen gegenüber gewerblichen Geräuschen bzw. Sport- und Freizeitanlagen sichergestellt. Somit ist die Schaffung s.g. gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse auch in lärmtechnisch problematischen Innenstadtlagen möglich.

Das Alboin-Kastenfenster verfügt über zwei vergleichsweise weit auseinander stehende Fensterebenen und ist im Kastenzwischenraum an der Decke mit einem Schallabsorber zudem akustisch bedämpft. Aufgrund dieser Bauform ergeben sich auch bereits ohne den Einsatz von Schallschutzgläsern (s.g. Verbundgläser mit einer die Scheiben verklebenden Folie) sehr hohe Schalldämmungen. Im Konkreten konnte mit einer Gesamtscheibendicke von ca. 14 mm eine Schalldämmung messtechnisch nachgewiesen werden, die der einer Massivwand entspricht. D.h., anders, als bei konventionellen Fenstern, schwächt der Einbau eines Fensters nicht die Schalldämmung der Außenwand.

Das Alboin-Kastenfenster verfügt über drei Lüftungsöffnungen, bei der die untere auch der Entwässerung (Kondensatablauf bzw. Schlagregeneintrag) dient. Die oberen beiden Lüftungsöffnungen wurden am höchstmöglichen Punkt auf den gegenüberliegenden Seiten des Kastens angeordnet. Damit ist aufgrund der bestmöglichen Nutzung des thermischen Auftriebs und der Anordnung auf Luv- / Lee-Seiten die bestmögliche Belüftung bei aus schalltechnischen Gründen minimalem Lüftungsquerschnitt ermöglicht worden.

Untervarianten
Für besondere Anwendungsfälle wurde ein Dachflächen-Kastenfenster entwickelt, welches im hochschalldämmenden Bereich eingesetzt werden kann.

Zur Anwendung in der Altbausanierung, im Holzbau oder als erleichterte kranlose Montagemöglichkeit ist eine Untervariante mit einem zerlegbaren Korpus in Carbonbeton vorgesehen. Diese Bauweise ermöglicht eine präzise Vorfertigung und Ausbildung in lediglich 4-5 cm Korpus-Einzelteilen.